PT Journal AU Weidlich, J TI Presence at a distance SO eleed PY 2023 VL 15 IS 1 DE Computerunterstützter Unterricht; Computerunterstützung und Datenverarbeitung in Unterricht und Ausbildung; Hochschullehre; Kommunikation; e-learning; social presence AB In einer zunehmend technisierten Welt wird zwischenmenschliche Interaktion immer häufiger durch die Schnittstellen unserer digitalen Endgerate vermittelt. Dies gilt ebenso für Bereiche des Bildungssektors. Die meisten der angehenden Studierenden, die sich heute in einer Hochschule einschreiben, werden unweigerlich im Laufe ihres Studiums mit pädagogischen Szenarien konfrontiert werden, in denen menschliche Interaktion mit Hilfe von Technologie vermittelt wird. Dies mag in manchen Fällen lediglich bedeuten, dass Studierende einzelne Einheiten oder Abschnitte eines Präsenzstudiums online absolvieren. Andere durchlaufen möglicherweise ein ganzes Studium, ohne ihren Mitstudierenden oder Lehrkräften jemals physisch zu begegnen, wie es in einem Fernstudium der Fall sein kann. Mag es besonders bei raffinierten und technisch ausgereiften Kommunikationsmedien nicht immer auffallen, bleibt dennoch eine wichtige Tatsache bestehen: Wenn unser Gegenüber nicht tatsachlich da, also physisch abwesend statt präsent ist, wirkt sich das auf unsere zwischenmenschliche Wahrnehmung aus. Obwohl die psychologischen Besonderheiten dieser zunehmend verbreiteten Art der Kommunikation seit langem Gegenstand von Untersuchungen sind und wichtige Effekte auf Kommunikations-, sowie auf Lernprozesse vermutet werden, sind die tatsachlichen psychologischen Auswirkungen, insbesondere mit Blick auf das Lernen im Online- und Fernstudium, nach wie vor nicht ausreichend erforscht.Der Begriff Social Presence stellt eine der prominentesten Bemühungen dar, sich der besonderen psychologischen Herausforderungen computervermittelter Kommunikation konzeptionell zu nähern. Er bezieht sich auf das Ausmaß, zu dem wir bei diesen Formen der Kommunikation ein Gefühl der Unmittelbarkeit erleben. Somit impliziert der Begriff Social Presence gewissermaßen eine Illusion oder anders gesagt, das Versäumnis in unserer Wahrnehmung, der Tatsache kontinuierlich gewahr zu sein, dass wir eigentlich mit einem Bildschirm kommunizieren. Interessanterweise ist es auch bei Kommunikationsmedien, die mit dem Naturell von face-to-face Gesprächen relativ wenig Gemeinsamkeiten aufweisen, zum Beispiel asynchrone textbasierte Chats, ebenfalls möglich, ein hohes Mas an Social Presence zu erfahren, also dem Gefühl zu erliegen, dass unser Kommunikationspartner „echt“ und „da“ ist. Diese paradoxe Beobachtung ist der Grund, dass wir keinen monokausalen Zusammenhang zwischen der technologischen Raffinesse des Kommunikationsmediums und der Wahrnehmung von Social Presence ableiten können. Tatsachlich scheint es stattdessen eine Vielzahl von Faktoren zu geben, die für dieses psychologische Phänomen verantwortlich sind, von denen jedoch viele nicht ausreichend erforscht sind. So ansprechend und relevant dieses Konzept zu sein scheint – dafür sprechen unzählige Studien, die sich mit dem Konstrukt beschäftigen–, hat seine Anwendung und Erforschung bislang vergleichsweise wenig zur Weiterentwicklung unseres Verständnisses über die Psychologie computervermittelter Kommunikation beigetragen; eine Tatsache, die möglicherweise auf die lange Geschichte uneinheitlicher Auslegungen dieses Konzepts und den daraus resultierenden Schwierigkeiten, Wissensbestande zu kumulieren, zurückzuführen sein konnte. Abschnitt A „Introduction and Theoretical Foundations” beschreibt den aktuellen Forschungsstand bezüglich der Psychologie computervermittelter Kommunikation und stellt einen Bezug zur Fernlehre und dem Online-Lernen her, insbesondere mit Blick auf die vielzitierten Herausforderungen, die mit diesen Lernkontexten einhergehen. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf den Online-Umgebungen, in denen die Lernaktivitäten dieser Szenarien üblicherweise stattfinden. Im Anschluss daran erfolgt eine Besprechung von Social Presence, in der zentrale Herausforderungen in der Erforschung dieses Konzepts diskutiert werden. Dies mundet in die Vorstellung eines theoretischen Modells, das für die folgenden empirischen Arbeiten handlungsleitend ist.In Abschnitt B „Empirical Studies“ werden die zentralen Forschungsfragen dieser Arbeit dargelegt sowie fünf Studien zu ihrer Beantwortung präsentiert. Zusammengenommen zielen diese empirischen Untersuchungen auf ein besseres grundlegendes Verständnis des Phänomens Social Presence, auf eine theoretisch plausible und empirisch gestutzte Modellierung, sowie auf die praktische Anwendung dieses Wissens zur Verbesserung der Online- und Fernlehre ab. Insgesamt wurden zu diesem Zweck Daten von 1023 Studierenden der FernUniversität in Hagen erhoben und analysiert. In der ersten Untersuchung, einer Skala-Validierungsstudie, wird aufbauend auf der sich häufenden Kritik an der Social Presence Forschung versucht, wichtige Grundlagen bezüglich der Definition und Messung des Konstrukts zu schaffen. In der zweiten Studie wird dann der Betrachtungshorizont mit Hilfe eines Strukturgleichungsmodells erweitert, um zu einem umfassenderen Bild von Social Presence und verwandten sozio-emotionalen Prozessen und Variablen zu gelangen. Dies resultiert in einem theoretisch fundierten und empirisch gestutzten Modell mit praxisrelevanten Implikationen. Jene Implikationen zur Forderung und Begünstigung von Social Presence in Online-Lernumgebungen werden in der dritten Studie mit Hilfe eines Experiments empirisch überprüft, wodurch weiterhin Gestaltungsempfehlungen für derartige Lernumgebungen abgeleitet werden können.Für die verbleibenden zwei Studien wird der theoretische Blick erweitert, sodass sich das vierte Kapitel mit einem bislang nur aus sozialen Netzwerken bekannten psychologischen Phänomen beschäftigt, Ambient Awareness. Mit Hilfe zweier Stichproben wird zunächst seine Prävalenz in Online-Lernumgebungen untersucht, um dann eine theoretisch naheliegende Verbindung zu Social Presence zu überprüfen. Zuletzt wird in der fünften Studie ein neuartiger Blickwinkel auf das Konstrukt eingenommen. Wurde in der Vergangenheit Social Presence aufgrund seiner sozialpsychologischen Wurzeln meist als sozial und kontextuell determiniert verstanden, wird hier die potenzielle Rolle individueller Unterscheide, genauer gesagt der Persönlichkeit der Studierenden, bei dem Erleben von Social Presence in den Fokus gerückt.Der Integration und Kumulierung der neu gewonnenen Erkenntnisse kann deshalb eine besondere Bedeutung zugeschrieben werden, da diese Synthesearbeit in der Social Presence Literatur als defizitär erachtet werden kann. Aus diesem Grund wird in Abschnitt C „Discussion and Future Directions“ eine umfassende Diskussion und Einordnung der Ergebnisse, insbesondere mit Blick auf die Schwachen der Social Presence Literatur vorgenommen. Trotz verbleibender offener Fragen, können die Ergebnisse der empirischen Arbeit so interpretiert werden, dass deutliche Fortschritte bei der Identifizierung, der theoretischen Erklärung sowie der praxisnahen Anwendbarkeit von Social Presence erzielt wurden. Als visuelles Resümee wird das endgültige Forschungsmodell in seiner durch die Studien modifizierten und erweiterten Form präsentiert, in dem alle in dieser Arbeit untersuchten Hypothesen enthalten sind. Um die zentralen Erkenntnisse weiter zu verdichten, wird eine Reihe von Fragen, die zusammengenommen die Grundlage für eine Theorie von Social Presence darstellen, fokussiert beantwortet. Durch diese Zusammenfassung auf verschiedenen Abstraktionsebenen entsteht ein Bild von Social Presence als ein komplexes psychologisches Phänomen, das mit Blick auf seine Relevanz für das Online- und Fernstudium multikausal bestimmt und nuanciert zu sein scheint. Mit Blick auf Limitationen dieser Arbeit sowie aktueller mediendidaktischer Entwicklungen werden mögliche Schritte zur Verbesserung künftiger Forschungsbemühungen vorgeschlagen. Darüber hinaus werden zwei zentrale, weiterhin bestehende Hindernisse auf dem Weg zu einer ambitionierten und fundierten Social Presence Forschung aufgezeigt. Ersteres bezieht sich auf die bislang inkonsistente Erforschung des Zusammenhangs zwischen Lernerfolg und Social Presence. Letzteres bezieht sich auf die fehlende Einbettung des Phänomens Social Presence in die menschliche Psychologie. Als ersten Schritt zu Überwindung dieser Hindernisse werden zwei theoretische Frameworks zur Gestaltung künftiger Forschung vorgeschlagen. Die Arbeit endet mit einer kurzen Reflexion. ER